WeightWatcher

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Mit dieser Überschrift werden die meisten Leserinnen das „Zählen von Punkten“ assoziieren. Die Männerwelt wiederum würde beim „Zählen von Punkten“ vermutlich eher an das neue Flensburger Fahreignungsregister denken. Beim Hotelfrühstück in meinem, den LeserInnen mittlerweile hinlänglich bekannten Berliner Hotel meines Vertrauens konnte ich meinen Assoziationsradius zum Begriff WeightWatcher jetzt erheblich erweitern. Manchmal sind es ja die einfachen und nahe liegenden Überlegungen, die einen weiterbringen. So zum Beispiel die schlichte deutsche Übersetzung des englischen Begriffs: „Gewichts-Beobachter“– und man glaubt ja gar nicht, wie viele es davon gibt. Im Berliner Hotelfrühstücksraum dürfte schätzungsweise mindestens die Hälfte der anwesenden Männer dem Nebenberuf eines WeightWatcher nachgehen. Leider vernachlässigen die meisten den Blick auf das eigene Gewicht. Vornehmlich richten sich die Blicke auf das weibliche Geschlecht. Dabei stehen allerdings Größe und Umfang des Gewichts der Beobachtungspersonen in reziprokem Umfang zur Beobachtungsdauer frei nach der schlichten Formel: Je mehr Gewicht die ins Visier genommene Probandin aufweist, desto kürzer der Blick. Was eigentlich unlogisch ist, besonders für den Beruf des WeightWatcher. Rein objektiv wäre davon auszugehen, dass man mehr Zeit für die Beobachtung benötigt, je mehr weight zu watchen ist. Tatsächlich scheint aber an den Schlanken „mehr dran zu sein“. Da sagen die Männer immer, wir Frauen seinen irrational. Möglicherweise benötigt der professionelle WeightWatcher bei dünnen Beobachtungssubjekten aber auch nur mehr Zeit, weil er nach dem nicht vorhandenen Gewicht sucht, während es bei den etwas Moppeligeren sofort ins Auge sticht.

Fakt ist jedenfalls, dass die Blicke der Teilzeit Beobachter deutlich länger bei den schlanken Frauen verweilen. Als Arbeitsrechtlerin kam mir natürlich sofort der Gedanke, welche Qualifikationen dieser Job denn erfordere. Das war durch reine Beobachtung meinerseits allerdings leider nicht zu ergründen. Vielmehr schien es so, als halte sich eigentlich nahezu jeder der anwesenden männlichen Frühstücksgäste grundsätzlich für befähigt. Vertraulichkeit scheint überdies nicht zum Berufsbild zu gehören. Am Nebentisch übte sich offenbar ein WeightWatcher in einer Live-Reportage und verkündete seinen Frühstückskollegen mit Blick auf eine eher vollschlanke, miniberockte Dame, die mit voll beladenem Tablett vom Büffet aus ihren Platz ansteuerte: „Bei dem Rock wäre ein Müsli ja besser gewesen“. Er erntete zustimmendes Gelächter seiner Kollegen. Dass der gleiche Satz für jeden von ihnen in ebendieser Weise gegolten hätte, übersahen sie geflissentlich und ließen sich frisch am Büffet zubereitete Eier mit Speck und amerikanische Pancake reichlich schmecken. Frei nach dem Motto: Wer das Gewicht anderer beobachtet, muss weniger auf seines achten!?

Pia-Alexandra Kappus