Hupend drängen Autos bei gleißender Hitze von der an der Küste gelegenen Autopista „Las Americas“ in Richtung Stadt. Auf dem Anhänger des vorausfahrenden Lasters sitzen ein paar junge Männer, die rauchen und lachen und nebenbei ungeduldig auf das verrostete Blech des Lastwagens trommeln. Immer wieder schießen von hinten kommend Mofas links und rechts an den wartenden Autos vorbei, schlängeln sich in einem schwindelerregenden Zick-Zack-Kurs durch den Stau, während sich die Mopedfahrer lautstark mit ihren meist zwei Mitfahrern unterhalten. Motoren brummen, lautes Gelächter und Musik schallt hinter den heruntergekurbelten Autofenstern hervor und immer wieder wird Gehupt, während die Verkehrsmasse sich langsam vorwärts bewegt. Es ist heiß, es ist laut und es ist meine ungefähr zweistündige Autofahrt von der Ferienregion La Romana in die Hauptstadt der Dominikanischen Republik – Santo Domingo.
Je mehr ich mich den Außenbezirken von Santo Domingo nähere, umso unübersichtlicher wird die Verkehrslage. Zu den Autos und Mofas gesellen sich Esel und Schubkarren, Passanten rennen über die Straße, Kinder spielen am Wegesrand. Es grenzt an ein Wunder, dass bei diesem Durcheinander dennoch meistens nichts passiert und die Einheimischen das Chaos mit der gewohnt karibischen Lockerheit nehmen. Für jeden Westeuropäer dürften die Straßenverhältnisse in der Dominikanischen Republik allerdings der reinste Alptraum sein, haben sie doch so gar nichts mit der Vorstellung von einem Karibikurlaub an einem von Palmen gesäumten Strand zu tun.
Aber will man den 48.320 km² großen Inselstaat (entspricht ungefähr der Größe von Niedersachsen) und seine Bewohner wirklich kennen lernen, wird man sich als Tourist früher oder später auf das Abenteuer Autofahren einlassen müssen. Natürlich gibt es Alternativen. So kann man sich theoretisch auch mit den öffentlichen Bussen fortbewegen oder einen Fahrer nehmen. Derjenige aber, der die absolute Freiheit haben will, loszufahren wann und wie er will und sein Ziel erst im Laufe des Tages eruiert, wird sich letztendlich doch in einen (bitte vollkaskoversicherten) Mietwagen setzen.
Die damit verbundenen Anstrengungen lohnen sich aber wirklich immer am Ende des Tages. So wurde beispielsweise mein, durch die urplötzliche Vollbremsung eines mit Baumstämmen beladenen, vor uns fahrenden Lastwagens verursachter Schock, mit einer grandiosen Aussicht auf die Bucht von Yuma und einer exzellenten Fischplatte mit den köstlichen Plátanos (in Scheiben geschnittene, frittierte Kochbananen) in dem verschlafenen Fischerörtchen Boca de Yuma entschädigt.
Auf meiner Fahrt von Santa Bárbara de Samana in das hippe Städtchen Las Terrenas im Nordosten der Insel komme ich zudem – trotz holpriger Anfahrt – aus dem Staunen über die überwältigend schöne Berglandschaft zum einen und die traumhaft wilden, weißen Strände zum anderen nicht mehr heraus.
Ein weiteres Highlight ist der an Samana angrenzende Nationalpark Los Haїtises. Hier können Interessierte Bootsfahrten durch das Naturschutzgebiet machen, bei welchen man mit viel Glück, Delfine, Schildkröten und einige der in den Mangrovenwäldern wohnhaften, seltenen Vogelarten zu Gesicht bekommt. In der Bucht von Samana kann man zudem von Ende Dezember bis Anfang März Buckelwale beobachten, ein Spektakel, das ich selbst leider verpasst habe, dafür aber sicher noch einmal nach Samana zurückkehren werde.
Angesichts der Schönheit, landschaftlichen und kulturellen Vielfalt des Landes ist es wirklich schade, dass der Dominikanischen Republik immer noch ihr Ruf als billige Reisedestination für anspruchslose All-Inklusive-Urlauber nachhängt. Auch wenn sich die vielen Luxushotels, die es vor allem im Südosten und Norden der Insel gibt, nicht leugnen lassen, hat das Land viel mehr zu bieten als weiße Strände und türkisfarbenes Wasser. Entdecker und Naturfreunde kommen bei einem Urlaub in der Dominikanischen Republik voll auf ihre Kosten. Bei einer Reise ins Landesinnere stößt man etwa auf geheimnisvolle Nebelwälder im Hochgebirge, reißende Flüsse und Sümpfe. Die Berge ziehen sich bis nach Osten der Insel hin, wo es Höhlen und Wasserfälle, Mangrovenwälder, Lagunen und auch noch unberührte Strände gibt. Der Norden des Inselstaates – den ich selbst nicht kenne – trumpft mit malerischen Felsenklippen auf und soll ein Paradies für Surfer und andere Wassersportler sein.
Wer sich mit der Geschichte der Dominikanischen Republik auseinandersetzen möchte, sollte nicht zuletzt unbedingt einen Trip in die Hauptstadt Santo Domingo einplanen. Ist man mit dem Auto erst einmal sicher im Stadtzentrum, in der Zona Colonial angekommen, wird man von der historischen Altstadt, die 1990 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, begeistert sein und seine Fotokamera gar nicht mehr weglegen wollen. Die Stadt, in deren Straßen, Gassen und schönen Parks (z.B der Parque de los Tres Ojos) zahlreiche Szenen für namhafte Hollywoodstreifen gedreht wurden, ist die älteste, von Europäern errichtete Stadt in der Neuen Welt. Christoph Kolumbus, der einst die Insel Hispaniola für Europa entdeckte, beauftragte seinen Bruder Bartolomé mit der Gründung der Stadt, damals allerdings unter anderem Namen.
Ihre sehr kurze Blütezeit erlebte Santo Domingo zwischen 1502 und 1518. Bereits ab 1519 hielt die spanische Krone Havanna für den besseren Haupthafen ihrer Ländereien in Amerika und daraufhin wanderten viele Bewohner nach Kuba aus. Seitdem mussten die Stadt und ihre Bewohner viele Katastrophen, unter anderem Kriege, Sklaverei, Hurrikans und Plündereien über sich ergehen lassen, bevor Santo Domingo schließlich zu der modernen Metropole wurde, die sie heute ist.
In Puncto Style und Eleganz stehen die Dominikaner in Santo Domingo den westlichen Großstädtern in nichts nach und auch das Nachtleben hat einiges zu bieten, sofern man sich traut, sich unter das Volk zu mischen. Hier sind allgemeine Spanischkenntnisse absolut empfehlenswert, allerdings verständigen sich die sehr hilfsbereiten und kommunikativen Dominikaner notfalls auch gerne mit Händen und Füßen. Wer gerne tanzt und singt, ist in der Dominikanischen Republik, die im Übrigen völlig zu Recht als eines der lautesten Länder der Welt gilt, genau richtig.
Egal ob in den Hotelanlagen, am Strand, in Clubs oder Bars oder einfach nur auf der Straße, die Dominikaner singen tanzen für ihr Leben gerne und es gibt kaum einen Dominikaner, der bei Salsa, Merengue oder Bachata keine gute Figur macht.
Trotz all der Schönheit des Landes und seiner offenherzigen Bewohner sollte man auf einer Reise in die Dominikanische Republik aber nicht vergessen, dass es bei all dem Licht auch Schatten gibt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum des Landes unter Präsident Danilo Medina in den letzten Jahren extrem gut war und es den Dominikanern insgesamt noch besser gehen dürfte als den bettelarmen Bewohnern des Nachbarlandes Haiti, sind die Armutsraten auch in der Dominikanischen Republik nach wie vor hoch und lagen laut der Weltbank im Jahre 2015 bei 35 %. Hält man sich außerhalb der Touristenorte auf, wird die Armut auch deutlich sichtbar. Hier leben viele Dominikaner noch in kleinen Holz- oder Lehmhütten und verdienen ihren Lebensunterhalt nicht mit den meist in ihren Hotels bleibenden Touristen, sondern mit Straßenverkäufen, Reis- oder Plantagenanbau.
Die Armut stimmt zwar nachdenklich, sollte allerdings keinesfalls der Grund sein, auf eine Reise in die Dominikanische Republik zu verzichten. Touristen, die sich aus ihrem Hotel trauen und auf die Straße gehen sind eine gute Einnahmequelle für Land und Leute und wer sich an ein paar Regeln hält, wird sich auf seiner Reise durch die Dominikanische Republik auch nicht unsicher fühlen. Ich kann daher nur zu einer Reise in dieses wunderschöne Land raten.
Teresa Baudis