Hundeschlitten in Lappland statt Anwaltsschreibtisch in München. Yvonne Hofschneider hatte Mut ihren Traum zu verwirklichen und antwortet auf die Fragen von Karriereleiterin.
Karriereleitern: Hyvää päivää Frau Hofschneider, wie gut sprechen Sie finnisch?
Hofschneider: Hyvää päivää. Leider bis auf ein paar Worte fast gar nicht. Ich hab es in der Uni mal zwei Semester gelernt, aber wenn man keine Gelegenheit hat, es anzuwenden, dann vergisst man schnell. Bei uns im Camp und beim Rennteamhaben wir leider keine finnischen Kollegen, in der Lodge zwar schon den ein oder anderen, aber dort bin ich nur sehr selten. Deshalb reichen Deutsch und Englisch vollkommen aus, selbst Norwegisch spreche ich öfter als Finnisch, da Norweger und Schweden sich ja gegenseitig verstehen.
Karriereleiterin: Vor einem Jahr haben Sie sich beruflich und örtlich radikal verändert; Hundeschlitten und Lappland an Stelle von Anwaltsrobe und Großstadt! Folgen Sie damit dem modernen Trend des Sabbatical oder steht eine nachhaltigere, dauerhafte Lebensveränderung dahinter?
Hofschneider: Bei mir ging es nie wirklich um ein Sabbatical. Zwar konnte ich vor der letzten Saison nicht wissen, wie sich alles entwickeln würde, ich habe jedoch bewusst eine befristete Auszeit von der Kanzlei abgelehnt und dort richtig gekündigt. Dies aus zwei Gründen: zum Einen wollte ich mir selbst die Möglichkeit offen halten, länger in Lappland zu bleiben bzw. frei von irgendwelchen Zwängen zu entscheiden, was ich machen möchte. Das geht meines Erachtens nicht oder nur schwierig, wenn man eigentlich schon ein mehr oder weniger fixes Datum hat, wann man an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehrt. Diese Sicherheit muss man loslassen, wenn man wirklich offen etwas Neues angehen möchte. Zum Anderen hätte ich es auch der Kanzlei gegenüber nicht fair gefunden, in Aussicht zu stellen, zurückzukommen, nicht wissend bzw. durchaus damit rechnend, das nicht tun zu wollen.
Karriereleiterin: Musher, ist das Ihre richtige Berufsbezeichnung? Benötigt man dazu, neben der Liebe für Ihre Tiere, eine besondere Ausbildung?
Hofschneider: Ehrlich gesagt, kann ich gar nicht so richtig beantworten, was meine Berufsbezeichnung ist. Denn was ich hier mache, entspricht eben keinem (Ausbildungs-)Beruf wie wir das in Deutschland kennen. Musher ist sicherlich nicht falsch, aber auch Doghandler und gelegentlich Schlittenhundeguide passt. Auch die Frage nach der Ausbildung ist nicht ganz einfach zu beantworten. In Norwegen gibt es so etwas tatsächlich, in Deutschland natürlich nicht. Da es aber so ist, dass auf den verschiedenen Huskyfarmen sehr unterschiedlich gearbeitet wird und wir sehr hohen Wert auf den – aus unserer Sicht – richtigen Umgang mit unseren Tieren und Gästen legen, bilden wir unsere neuen Guides selbst aus. Viele sind auch eine Zeit lang zunächst als Volontäre bei uns, lernen die Hunde und die Arbeit im Camp kennen, bevor sie dann Guide werden. Es gehört eben mehr dazu, als nur den Weg zur nächsten Hütte zu finden, nicht vom Schlitten zu fallen und nett zu den Gästen zu sein. In meinem Fall gibt es noch zusätzlich die Besonderheit, dass ich mit dem Rennteam arbeite, was sich doch noch einmal deutlich von der Arbeit als Guide unterscheidet. Dafür gibt es aber erst Recht keine Ausbildung im klassischen Sinne. Ich lerne sehr viel von meinem Chef und von den Hunden. Dass man dabei auch Fehler macht, ist ganz klar, aber meistens macht man die nur einmal 😉 Karriereleiterin: Was empfinden sie als schwieriger: das Führen juristischer Verhandlungen oder das Führen von Hundeschlitten?
Hofschneider: Beides ist einfach nicht miteinander vergleichbar. Die Hunde können schon stursein, wenn man ihnen sagt, sie sollen links abbiegen, sie aber gerne nach rechts wollen. Letztlich lassen sie sich aber doch meist überzeugen. Bei Menschen ist das nicht immer der Fall, manche beharren aus Prinzip auf ihrer Meinung. Dennoch verstehen Menschen Argumente, bei Hunden kommt man damit nicht sehr weit, die müssen „nur“ akzeptieren, wer der Chef ist. Ich kann daher nicht sagen, was schwieriger ist, gefährlicher ist wohl das Führen von Hundeschlitten.
Karriereleiterin: Wie reagiert ihr privates Umfeld (Familie, Lebenspartner, Freunde) auf die Veränderung?
Hofschneider: Aus meinem privaten Umfeld habe ich nur positive Reaktionen erfahren. Es würde zwar nicht jeder meinen Weg gehen – genau genommen wohl keiner -, aber alle sagen, dass es für mich richtig ist.
Karriereleiterin: Haben Sie schon einmal Besuch Ihrer früheren Bürokollegen aus Deutschland bekommen?
Hofschneider: Mit meinem Strafrechtsteam verhandele ich noch über einen „Team-Ausflug“ nach Äkäskero 😉 nein, im Ernst, mir ist schon klar, dass so eine Schlittenhundetour und die winterlichen Bedingungen nicht für jeden etwas ist. Außerdem kann ich ja nicht die Abteilung lahmlegen, weil alle herkommen. Aber der ein oder andere wird es sich bestimmt noch überlegen.
Karriereleiterin: Ihr Blog ist voller wunderschöner, romantisch anmutender Bilder. Entspricht das auch ihrem Lebensalltag?
Hofschneider: Im Prinzip ja. Also natürlich gibt es auch viele graue Tage, die stehen jetzt bald wieder vor der Tür. Letzten Winter hatten wir wirklich wenig Sonne bzw. Licht und oft wolkige Tage. Das ändert aber nichts daran, dass mir meine Arbeit sehr viel Spaß macht. Mich stört es auch nicht, im Regen oder bei Kälte zu trainieren. Nur wenn es sehr kalt wird, dann wird es manchmal mit den Fingern und Füßen schwierig, da bin ich ziemlich anfällig. Fotos macht man natürlich meistens, wenn das Licht gut ist und es gerade ein schönes Motiv zu fotografieren gibt. Ich halte nicht so viel davon, beispielsweise Fotos von Verletzungen der Hunde zu posten. Denn viele Leute könnten nicht einordnen, wie es dazu kam und wie schlimm es wirklich ist. Ich weiß ja, dass unsere Hunde hier bestens versorgt werden und in einem Rudel und mit über 500 Hunden kommt es nun mal zu Raufereien, die kann man nicht sicher ausschließen. Wichtig ist, dass man weiß, wie man reagieren muss, und wenn es Verletzungen gibt, dass diese richtig behandelt werden. Und das ist auf jeden Fall gewährleistet.
Karriereleiterin: Ließen sich in ihrem momentanen Arbeitsalltag Familie und Beruf gut vereinbaren?
Hofschneider: Das kommt darauf an, wie man Familie und Beruf definiert. Wenn man Familie eher klassisch sieht und als Beruf Doghandler Raceteam, dann wohl eher nicht. Auch wenn man als Guide vier oder fünf Tage die Woche unterwegs ist, wäre es schwierig. Wenn sich die Tätigkeiten aber hauptsächlich auf Arbeiten im Camp erstrecken, warum nicht?
Karriereleiterin: Können Sie sich vorstellen, in absehbarer Zeit wieder in Deutschland zu leben?
Hofschneider: Wenn ich die Möglichkeit habe, in Lappland zu bleiben und mit den Hunden zu arbeiten, dann eigentlich nicht. Wobei das keine Abneigung gegen Deutschland ist, sondern eher gegen die Vorstellung wieder den ganzen Tag im Büro zu sitzen und keine Zeit für eigene Tiere zu haben. Auch die wundervolle Natur in Lappland würde mir fehlen bzw. tausende Menschen und Autos und Häuser auf kleinem Raum wären mir etwas zu viel.
Karriereleiterin: Können Sie spontan 3 für Sie unverzichtbare Dinge nennen, die Sie von Deutschland mit nach Lappland genommen haben, und wiederum 3 Dinge, die Sie bei einer Rückkehr nach Deutschland mitnehmen würden?
Hofschneider: Das ist eine wirklich interessante Frage, darüber habe ich noch nie nachgedacht… Und die Antwort ist gar nicht so leicht wie man vielleicht denken mag.Was mir wirklich spontan einfällt, ist mein Handy/Computer. Das widerspricht natürlich komplett der zuvor angepriesenen Ruhe und Abgeschiedenheit in Lappland, aber für mich ist es sehr wichtig, um mit meiner Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben. Das heißt nicht, dass ich den ganzen Tag das Handy in der Hand habe oder am Computer sitze, aber wenn Zeit ist – meist vor dem Schlafengehen – dann schicke ich oft noch ein paar Nachrichten. Daneben ist es natürlich auch meine Informationsquelle, um zu wissen, was in der Welt geschieht. In Lappland würde man davon sonst nicht allzu viel mitkriegen. Darüber hinaus ist mir jetzt eigentlich nichts bewusst, von warmen Klamotten einmal abgesehen. Aber da kommt es ja nicht auf ein individuelles Einzelstück an. Für die Rückkehr müssten wir die Anzahl vielleicht auf 100 erhöhen… und alle wären ziemlich wuschelig… aber ich glaube, da hätten andere Personen was dagegen 😉 außerdem haben die hier ihren richtigen Platz. Also vielleicht maximal ein oder zwei, die keine Touren mehr laufen können. Aber die, die ich im Kopf habe, sind noch fit, zum Glück.
Karriereleiterin: In Ihrem Blog schreiben Sie „Träume muss man leben, solange sich einem die Gelegenheit bietet.“ Sind Sie in Lappland schon am Ort ihrer Träume angelangt?
Hofschneider: Ja, ohne Zweifel.
Karriereleiterin: Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der sich mit dem Gedanken einer radikalen beruflichen und örtlichen Veränderung trägt?
Hofschneider: Genau das, was Sie zuvor zitiert haben. Und wenn ich darf, würde ich gerne eine Antwort aus einem früheren Interview wiederholen: „Wenn man einen Traum hat und die Möglichkeit bekommt, sich diesen zu erfüllen, dann sollte man die Gelegenheit nutzen, wer weiß ob sie sich noch einmal ergibt. Skeptische Nachfragen von Kollegen und Freunden sollten einen nicht abschrecken, aber durchaus überlegen lassen, ob das, was man zu tun beabsichtigt, wirklich die Verwirklichung eines Traums ist oder nur die Flucht vor einer kurzfristigen Unzufriedenheit im Alltag. Zweifel, ob man das Richtige tut, sind dabei vollkommen normal, denn oft bricht man mit den gesellschaftlichen Erwartungen, die ja auch das eigene Bild prägen. Aber am Ende zahlt es sich aus.“ Abschließend möchte ich aber auch noch sagen, dass es nicht immer eine radikale Veränderung sein muss. Manchmal reicht es auch, den Schreibtisch statt gerade einfach mal quer in den Raum zu stellen und schon scheint ein ganz anderes Licht auf die Arbeit.
Karriereleiterin: Ganz herzlichen Dank für das Interview