Auch Männer haben einen Schuhtick!

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Haben Sie sich schon einmal am Bahnsteig, in Zug oder Flugzeug die Schuhe ihrer Mitreisenden betrachtet? Wenn nicht, dann kann ich das für die nächste Reise nur empfehlen. Sie glauben gar nicht, was es alles so an „Schuhmode“ gibt und vor allem, was die jeweiligen Schuhe – insbesondere ihr Zustand! – über ihre jeweiligen Träger aussagen. Momentan sitze ich zum Beispiel im 1. Klasse-Abteil des ICE von Berlin nach Frankfurt a. M. und blicke seitlich neben mir auf ein Paar braune, ledergeriemte Herrensandalen, in denen schwarz bestrumpfte Füße stecken. Bei meinen Schuhbetrachtungen habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mich zunächst ausschließlich auf die Schuhe zu konzentrieren und mir den jeweiligen Träger erst anzusehen, nachdem ich mir auf Grund der Schuhe ein (ich versuche nicht vorurteilsfreies) Bild des Schuhträgers gemacht habe. Meine Vorurteile werden dabei nahezu in jedem Fall bestätigt. So trägt mein Zugnachbar, wie erwartet, keinen feinen Anzug, sondern Jeans (ohne Löcher, nicht stonewashed) und ein graues kurzärmliges Hemd, lockige Haare, die sich über einen fachmännischen Frisörschnitt vielleicht freuen würden. Könnte Erdkundelehrer sein oder Pfarrer oder Mitglied der Linken im Bundestag, tippe ich. Wenig später teilt der Sandalenträger am Handy seinem Gesprächsteilnehmer lautstark seine Freude darüber mit, dass heute endlich die Osterferien beginnen und er jetzt endlich einmal zwei ganze Wochen Pause von der Schule habe. Es geht doch nichts über ein gepflegtes Vorurteil!Schuhe3

Nun sind die Sandalenträger ja eher die Ausnahme in den 1.Klasse-Abteilen dieser Republik. In der Tat lässt sich dort so mancher Blick auf Luxusmodelle werfen: Ob ihre Trägerinnen etwa davon träumen, einmal in Sex and the City Statistin sein zu dürfen? Wenn ihr Handy klingelt und ein hartes „Pronto“ erschallt, ist alles „claro“! Nur: Wie sitzt man mit diesen Dingern stundenlang im Zug? Aber auch bei den Damen passen die gewählten Schuhmodelle und vor allem ihr Pflegezustand nahezu flächendeckend zu den Vorurteilen, die sie über ihre Trägerinnen auslösen. Die lackbeschuhte Highheel-Trägerin wird in aller Regel die passende Designerhandtasche haben, ein ultraschickes Kostüm oder Hosenanzug tragen und den passenden Schmuck an den manikürten, tadellos lackierten Händen. Trägerinnen flacher Ballerinas, wie ich es zumindest auf Reisen bin, stecken hingegen häufig in zeitlos klassischen, eher unauffälligen Hosenanzügen, allenfalls aufgepeppt mit einem farblich gewagten Tuch oder Schal. Ich bekenne, dass ich zwar keinen Schuhtick habe, dafür aber einen „Tüchertick“, einer weiteren Glosse wert.

Zurück zum Thema: Meine soziokulturellen Betrachtungen auf Reisen haben ergeben, dass der Schuhtick an sich fälschlicherweise ausschließlich den Frauen zugeordnet wird. Das ist mit Nichten so. Unlängst, während des Pilotenstreiks, wurde meine These, wonach auch Männer einen Schuhtick haben, eindrucksvoll bestätigt. Ich stand morgens um 6 Uhr schlaftrunken am Bahnsteig und hatte ausreichend Muße, mir die Schuhe meiner Mitreisenden zu betrachten. Wegen des Pilotenstreiks waren Umsteiger anwesend mit der Folge einer deutlich höheren Anzahl an Probandenschuhen – von höherer Qualität. Wo sich sonst morgens im Sprinter von Frankfurt nach Berlin überwiegend die praktischen crepbesohlten Durchschnittschuhe deutscher Männer ein Stelldichein geben, konnte ich an diesem Morgen nicht nur klassische handgenähte Pferdelederschuhe mit vornehmem englischen Muster und den dazugehörigen edlen Nadelstreifen sehen, die sich bereits nach der ersten Tasse (N)Espresso wie Georg Clooney fühlen, sondern auch sehr interessante Einzelstücke – Cowboystiefel in Kroko optik – oder war es vielleicht sogar echtes Kroko? Bordeauxrote Lackschuhe zu dunkelgrünen Baumwollhosen und blauem Baumwolljackett und die neuerdings obligatorischen mittelbraunen Rindslederschuhe zum dunkelblauen oder grauen Anzug. Letzteres Outfit ist allerdings in letzter Zeit so trendy geworden, dass es kein Zeichen von Individualität mehr ist. Deswegen sind die Charismatiker unter den modebewussten Schuhträgern mittlerweile dazu übergegangen, diese Schuhe, deren helles mittelbraun wohl bewusst nicht zur gewählten Anzugfarbe passen soll, in einer zweifarbigen Variante zu tragen, die Fersenbereiche sind dabei in farbigem, meist blauem, rotem oder grünem Wildleder abgesetzt. Leichter geht es auch: Man wähle eine quietschige Sockenfarbe dazu, ein Hingucker!Schuhe2

Wenn Sie mich fragen, viele Männer stehen Frauen in puncto Schuhtick neuerdings nicht mehr nach. Luft nach oben ist aber noch vieler Orten, zumal wenn die Kurzehosenzeit anbricht.

Machen Sie sich mal einen Spaß draus, achten Sie auf die Schuhwelt und schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen. Oder hätten Sie nicht besser gleich ein Foto?

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