Zum 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar – ein „FrauenOrt“?

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Wenn man sich die Teilnehmerliste des 56. Deutschen Verkehrsgerichtages in Goslar ansieht, käme man nicht auf die Idee, dass Goslar aktuell damit wirbt, ein „FrauenOrt“ zu sein. Von insgesamt 1686 Teilnehmern sind 196 Frauen, also knapp über 10 Prozent. Gefühlt sind es sogar noch weniger. Begibt man sich, wie ich, als Verkehrsrechtsanwältin und Mitglied des Deutschen Verkehrsgerichtstages e. V. zur Anmeldung im Tagungshotel „Der Achtermann“, hat man subjektiv den Eindruck, man gehöre zu einer klitzekleinen, ja exotischen Minderheit: Herren fortgeschrittenen Alters in Einheitsgrau dominieren die Szene.

Was wohl Goslars berühmte Frau denken würde, wenn sie das Ganze hier sehen könnte? Gemeint ist Katharina von Kardorff-Oheimb, genannt Kathinka. Zu ihren Lebzeiten (1879 bis 1962) gab es zwar bereits Autos und der erste Deutsche Verkehrsgerichtstag fand sogar noch in ihrem Todesjahr 1962 in Goslar statt. Das große Lebensthema, für das sich Kardorff-Oheimb vor allem in ihrer Zeit in Goslar von 1914 bis Anfang der 1930erJahre aktiv einsetzte, waren nicht Autos, sondern die Gleichberechtigung von Frauen – unter anderem in Politik und Wirtschaft und: gleicher Lohn für Männer und Frauen!

Nachdem das Frauenwahlrecht eingeführt worden war, rief sie die Goslarer politischen Ausbildungskurse ins Leben, um möglichst viele Frauen davon zu überzeugen, ihr neues Recht auch wahrzunehmen und auszuüben. Herausragende Persönlichkeiten ihrer Zeit, wie Clara Mende und Gustav Stresemann, referierten bereits damals dort zu heute noch aktuellen Themen wie Gleichstellung von Mann und Frau, Friedensfragen, Wirtschaftstheorie(n) und Finanzpolitik sowie außenpolitische Probleme. Ab 1920 gehörte Kardorff-Oheimb zu den ersten weiblichen Reichstagsabgeordneten. Heute würde sie wohl als „Netzwerkerin“ bezeichnet werden, die über Parteigrenzen hinweg das Gemeinsame suchte.

Sollte es damals bereits den Begriff der Karrierefrau gegeben haben, dann war Katharina von Kardorff-Oheimb sozusagen der Prototyp. Sie war nicht nur Politikerin und Unternehmerin, sondern auch Mutter von sechs Kindern aus 4 Ehen.

An ihr Lebenswerk erinnern in Goslars Innenstadt vier Schilder mit der Aufschrift „FrauenOrt“. Die Initiative des Landesfrauenrates Niedersachsen e. V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf das Wirken bedeutender historischer Frauenpersönlichkeiten aufmerksam machen und sie in Erinnerung zu behalten. In Goslar entstand der 14. von 30 „FrauenOrten“ in Kooperation mit der Frauen-Arbeitsgemeinschaft im Landkreis Goslar, der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft beim Landkreis, dem Geschichtsverein sowie der Stadt Goslar.

Und wie so oft bin ich auf einer schlichten Geschäftsreise, so einfach by the way, unverhofft schlauer geworden, noch dazu in zweifacher Hinsicht. Weder kannte ich die Initiative „FrauenOrte“, noch Katharina von Kardorff-Oheimb, die Urgroßmutter der bekannten Schauspielerin Maria Furtwängler. Hat jemand von Euch schon einmal einen „FrauenOrt“ besucht?

Pia-Alexandra Kappus

1 Kommentar

  1. Hallo Pia,
    den Bericht finde ich sehr interessant. Gerade auch die Info von Seiten des Landesfrauenrates hier aktiv zu sein.
    Ich lese gerade das Buch „Frankfurter Frauengeschichten“ , welches sehr interessant auch viele Frauenprofile schildert, die ebenfalls schon zu Ihrer Zeit für Ihre Rechte als Frau eingetreten sind oder sich die auch genommen haben.
    Spannend und informativ.
    Sabine Bolz