Bewerbungsfalle Mutterschaft?

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Der Briefumschlag ist zu groß und zu dick, um gute Nachrichten auf Ihre Stellenbewerbung zu enthalten. Und tatsächlich: Der potenzielle Arbeitgeber hat Ihnen Ihre Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt. Eigentlich würden Sie das ganze Poststück am liebsten in den Mülleimer schmeißen, aber den Lebenslauf und die Zeugnisse können Sie ja noch gut für die nächste Bewerbung verwenden, also tauschen Sie nur das Anschreiben aus. Und dabei fällt Ihnen eine Unterstreichung „ein Kind“ und ein handschriftliche Zusatz „7 Jahre alt…“ auf, beides offenbar in der Personalabteilung des ablehnenden Arbeitgebers geschehen.

So in etwa wird es der Klägerin in einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt jedenfalls vorläufig entschiedenen Verfahren gegangen sein. Sie hatte sich auf eine Vollzeitstelle beworben und wahrheitsgemäß angegeben, dass sie verheiratet ist und ein schulpflichtiges Kind hat, das damals sieben Jahre alt war.

Der Rechtsanwalt, den die abgewiesene Bewerberin danach aufgesucht hat, wird sich zunächst erfreut die „Augen gerieben haben.“ So einen deutlichen Hinweis auf vermeintliche Beweggründe eines Arbeitgebers bei der Bewerberauswahl findet man in der täglichen Praxis leider äußerst selten. Dennoch wurde die Klage der Arbeit suchenden Mutter auf einen Entschädigungsbetrag von 3000 €, und zwar wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), vom Arbeitsgericht erstinstanzlich abgewiesen. Es fehle an der unmittelbaren Diskriminierung, die Eltern- bzw. Mutterschaft sei kein vom AGG geschütztes Diskriminierungsmerkmal. Darauf, dass die Bewerberin als Frau, also wegen ihres Geschlechts, diskriminiert worden sein könnte, kam das Arbeitsgericht nicht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) entschied in der Berufung umgekehrt und sprach der Bewerberin die 3000 € Entschädigung zu. Allerdings ging auch das LAG nur von einer mittelbaren Diskriminierung aus. Die Anmerkungen des Arbeitgebers in den Bewerbungsunterlagen hätten verdeutlicht, dass er die Vereinbarkeit einer Kinderbetreuung mit einer Vollzeitbeschäftigung für problematisch gehalten habe. Frauen seien von dem Problem der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit häufiger als Männer betroffen. Dies zeige sich auch an einer Statistik (Mikrozensus), wonach der Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten unterdurchschnittlich sei. Daraus lasse sich im Einzelfall eine mittelbare Diskriminierung von vollzeitbeschäftigten Müttern ableiten.

Juristisch ist der Nachweis einer mittelbaren Diskriminierung allerdings noch wesentlich schwieriger zu führen als ohnehin schon der Nachweis einer unmittelbaren Diskriminierung. Das BAG nun sah dementsprechend den Nachweis einer mittelbaren Diskriminierung durch die herangezogene, wenig aussagekräftige Statistik auch nicht als erbracht an, kam aber immerhin einmal auf den, nach gesundem Menschenverstand naheliegenden Gedanken, dass die Bewerberin hier schlicht auf Grund ihres Geschlechtes, nämlich als Frau, diskriminiert worden sein könnte. Es hat den Rechtsstreit deshalb wieder an das LAG zurückverwiesen, das jetzt klären muss, ob eine unmittelbare Diskriminierung der Bewerberin vorlag.

Man kann nur hoffen, dass die dortige Richterbank mit Männern und/oder Frauen bestückt ist, die sich einmal fragen , ob der Arbeitgeber auch bei einem männlichen Bewerber auf die Vollzeitstelle stutzig geworden wäre, wenn er gelesen hätte, dass er verheiratet ist und ein 7 Jahre altes Kind hat!?

Männer werden mit der Aufgabe der täglichen Kinderbetreuung offensichtlich auch heute noch nicht automatisch in Verbindung gebracht. Es sind vielmehr durchgängig die Frauen, bei welchen potenzielle Arbeitgeber befürchten, dass sie wegen jeder kleinen Krankheit der Kinder oder Ausfalls des au pair-Mädchens, der Kinderfrau, der Großeltern oder wem auch immer zu Hause bleiben und/oder infolge starrer Abholzeiten in Kindergärten keine Überstunden machen können. Diese arbeitgeberseitige Skepsis trifft im Übrigen nicht nur Frauen, die bereits Mütter sind, sondern auch junge Frauen, die noch keine Kinder haben. Von jungen Männern wird dagegen eher erwartet, dass sie sich mit jedem Kind, das sie zu ernähren haben, karrieremäßig noch mehr ins Zeug legen und noch mehr Überstunden leisten.

Einerlei, ob man das im Juristendeutsch mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung nennt: Solange diese festgefahrenen Verhaltensmuster in Bezug auf die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung nicht aufgebrochen werden, wird sich die Bewerbungssituation von Frauen, zumindest auf Vollzeitstellen, kaum verbessern. Ob daran allerdings nur die Arbeitgeber schuld sind oder vielleicht auch teilweise wir Frauen, weil wir unsere Mutterrolle allzu oft auch über die Alleinzuständigkeit für die Kinderbetreuung und -erziehung definieren, sei für diesen Moment einmal dahingestellt.

Pia-Alexandra Kappus