Karriereknick durch Schwangerschaft- ein internationales Problem. EUGH vom 06.03.2014, C-595/12

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Europa, Europawahl, Europäischer Gerichtshof (EuGH) – alles kompliziert, undurchsichtig und zugleich langweilig, uninteressant und wenig praktikabel. So schätzen viele Mitbürger die Europäischen Institutionen ein und nehmen dementsprechend Urteile des EuGH allenfalls wahr, wenn es sich um skandalträchtige oder skurrile Fälle handelt, die die Seiten der Boulevardpresse füllen. Tatsächlich lohnt es aber, gerade im Arbeitsrecht auch einmal über den nationalen Tellerrand hinauszuschauen. Insbesondere zum Thema Gleichberechtigung bzw. Diskriminierungsverbote gibt es immer wieder interessante Entscheidungen der Luxemburger Richter.

So jetzt auch in einem in Italien spielenden Fall. Dort war eine Arbeitnehmerin auf Grund ihres obligatorischen Mutterschaftsurlaubs automatisch von einem in der Schwangerschaft bereits begonnen Ausbildungskurs ausgeschlossen worden, der Voraussetzung für ihre Beamtenernennung war. Ihre männlichen Kollegen konnten den Kurs vollständig absolvieren, vor ihr in den höheren Dienstgrad aufsteigen und die entsprechenden Dienstbezüge erhalten. Der EuGH sah darin eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen ihres Geschlechts.

Nun könnte man denken, was bringt uns das – der Fall spielt in Italien. Doch daran sieht man einmal praktisch, warum die europäische Idee und das Europarecht viel wichtiger und nützlicher sind, als wir oftmals meinen. Nach dem Unionsrecht, wie im Übrigen auch nach nationalem deutschem Recht, stellt eine ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts dar. Was für Italien gilt, hat damit gleiche Relevanz in Deutschland. Der EuGH führt dazu aus, dass die Mitgliedsstaaten über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen, um die wesentliche Gleichheit zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten. Entscheidend sei, dass man der Arbeitnehmerin die Möglichkeit eröffnet, in der gleichen Zeit wie ihre männlichen Kollegen den Ausbildungskurs abzuschließen, um an derselben Prüfung teilnehmen zu können und den höheren Dienstgrad mit erhöhten Dienstbezügen zum gleichen Zeitpunkt zu erreichen. Nicht erforderlich sei es, dass die Arbeitnehmerin an genau demselben Kurs teilnehme wie ihre männlichen Kollegen. Gegebenenfalls müssten für die Arbeitnehmerin nach Wiederkehr aus dem Mutterschaftsurlaub parallele gleichwertige Nachschulungskurse angeboten werden, um den Ausbildungsabschluss im gleichen Zeitraum wie bei ihren männlichen Kollegen zu ermöglichen.

Nun muss man berücksichtigen, dass es sich im italienischen Fall bei dem Arbeitgeber um eine staatliche Behörde handelte und um einen automatischen Ausschluss der Arbeitnehmerin, ohne dass individuelle Besonderheiten des Falles im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt wurden. In der privaten Wirtschaft könnte es im Einzelfall für die Frage, welche Anstrengungen ein Arbeitgeber unternehmen muss, um die Ausbildung im gleichen Zeitraum trotz Schwangerschaft und Elternzeit zu gewährleisten, auch darauf ankommen, wie weit die Ausbildung schon gediehen war und wann ein neuer regulärer Kurs angeboten werden kann.

Als Fazit bleibt, dass Arbeitnehmerinnen nicht einfach widerspruchslos eine Ausbildungsverzögerung infolge Schwangerschaft hinnehmen müssen, sondern vom Arbeitgeber erhöhte Anstrengungen erwarten dürfen, die „Schwangerschaftsnachteile wett zu machen“. Erziehungszeiten von Männern wird man unter diesem Blickwinkel in gleicher Weise überdenken müssen.

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht