Frauen in Führungspositionen sind …

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1969
fotalia

Bitte ergänzen Sie diesen Satz! Das würde ich gern einen Interviewpartner bitten, falls ich über eine eigene Radio- oder Fernsehtalkshow verfügen könnte. Die zahlreichen möglichen Antworten brächten vermutlich Erhellendes zutage. Frauen … sind „menschlicher“, „gerechter“, „fleißiger“, „weniger arrogant“, „sachorientierter“, „weniger machtbesessen“. Vermutlich wären das die prospektive Antworten, die dem allgemeinen gesellschaftlichen Frauenbild entsprechen. Ehrlich gesagt habe auch ich lange gedacht oder zumindest gehofft, wenn der Frauenanteil in beruflichen und gesellschaftlichen Führungs- und Machtpositionen wächst, bedeutet dies auch eine Zunahme an Empathie und vielleicht sogar eine Renaissance des „gesunden Menschenverstands“.

Wie aber passt unser Glaube an solche vermeintlich weiblichen Persönlichkeits- und Führungsattribute zu dem derzeit realen Bild in Politik und Wirtschaft. Fangen wir mit der Politik an. Frauke Petry hält es für legitim, auf unbewaffnete, vor Krieg und Gewalt fliehende Frauen und Kinder schießen zu lassen. Ihre Parteigenossin Beatrix von Storch, die sogar im Europaparlament sitz, äußert sich in gleicher Weise. Von Marine le Pen habe ich noch keine Kritik an diesen Äußerungen rechter Gesinnungsgenossinnen vernommen und solche sind wohl auch nicht von der neuen polnischen Premierministerin Beata Szydlo zu erwarten. Diese vier Frauen repräsentieren auf ihre Weise leider auch das Frauenbild der „so genannten modernen Frau“. Alle sind gut ausgebildet, Le Pen und von Storch sind Juristinnen, selbstbewusst und eigenständig. Zu allem Überfluss kann man den meisten Umfragen entnehmen, dass diese Politikerinnen vor allem unter Frauen – aller Altersgruppen und unterschiedlichster Bildung – hohen Zuspruch erfahren. Nun könnte man sich damit trösten, dass der damit offen zutage tretende Mangel an Mitgefühl, Empathie und sozialer Kompetenz bei den vier Führungsfrauen einfach nur ein Beweis dafür ist, dass wir uns in der üblichen Geschlechterdebatte einfach einmal von der strikten Zuordnung weiblicher und männlicher Attituden zum jeweiligen Geschlecht verabschieden müssen. Das wiederum wäre eine Erkenntnis, mit der ich gut leben kann. Bleibt die Frage, was dann aus meiner heimlichen Hoffnung wird, mehr Frauenverantwortung in Politik und Beruf werde uns gesamtgesellschaftlich deutlich voran bringen? „Typisch deutsche Schwarzmalerei“ könnte einer meiner eingangs prospektiv gedachten Interviewpartner einwenden. Nicht alle machtvollen Politikerinnen sind schießwütige Rechtsradikale, man denke an Angela Merkel, unser Aushängeschild der empathischen Frauenführungskraft („Wir schaffen das!“). Zugegeben, in der Flüchtlingskriese hat sie Einfühlungsvermögen und Nächstenliebe bewiesen und plötzlich wurde ihr ansonsten eher als männlich und machterhaltend beschriebener Führungsstil zunehmend als weiblich und emotional wahrgenommen. Die Umfragewerte sind allerdings im Zuge dessen gefallen, und zwar auch unter ihren weiblichen Anhängerinnen. Ein erneuter Beweis für die These, dass vermeintlich weibliche und männliche Eigenschaften nicht wirklich geschlechterspezifisch zugeordnet werden sollten. Vielmehr sollten wir und langsam einmal von solchen Vorurteilen trennen und immer das Individuum und sein Handeln betrachten und bewerten ungeachtet seines Geschlechts. Nicht immer wird uns Frauen dann allerdings alles gefallen, was wir bei solch neutraler Betrachtung sehen. Denn auch im täglichen Berufsalltag, den ich als Arbeitsrechtlerin selbst viel besser beurteilen kann als die politische Bühne in Berlin und Europa, lässt sich leider beobachten, dass Führungsfrauen nicht per se, ob ihrer Weiblichkeit, zu einem besseren Betriebsklima beitragen. Im Gegenteil. Die wenigen Frauen, die es auf machtvolle Positionen schaffen, mussten auf diesem Weg meist eine Menge einstecken und verlangen nun auch von Mitarbeitern in untergeordneten Positionen denselben bedingungslosen Einsatz. Wer glaubt, Chefinnen hätten grundsätzlich mehr Verständnis für Arbeitnehmer, die Elternzeit nehmen und in der Elternzeit Teilzeit arbeiten wollen, irrt. Die viel beschworene Frauensolidarität stößt gerade im täglichen Berufsleben sehr schnell an ihre Grenzen.

Der Eingangssatz „Führungsfrauen sind …“ lässt sich also auch wie folgt ergänzen: „ehrgeizig“, „diszipliniert“, „erfolgsorientiert“, „konkurrenzbewusst“, „hart zu sich selbst und anderen“. Daran ist auch weiter nichts auszusetzen. Auch ist diesen Frauen kein Vorwurf zu machen. Im Gegenteil. Selbstverständlich hat jede Frau genau dasselbe Recht, ebenso machtbewusst und durchsetzungsstark zu agieren wie ihre männlichen Kollegen. Das Problem liegt nicht in der Person des Einzelnen und schon gar nicht in seinem Geschlecht, sondern vielmehr darin begründet, dass die öffentliche Meinung von vornherein bestimmte Eigenschaften bei Frauen eher voraussetzt als bei Männern. Jedenfalls in der Politik genießen dadurch Frauen wie Frauke Petry und Marine Le Pen, die noch dazu weiblich smart aussehen, eigentlich unberechtigte Vorschusslorbeeren. Ihnen wird Empathie unterstellt, obwohl sie im Kern Hass predigen. Das macht sie so gefährlich. In jedem Fall wird man meinen Eingangssatz wie folgt ergänzen können. Frauen in Führungspositionen sind … „intelligent“, „gebildet“, „durchsetzungsstark und machtbewusst“, sonst wären sie nämlich nicht auf einer Führungsposition. Ob sie wirklich auch emotionaler, mitfühlender, sozial kompetenter und sachorientierter sind und unser Wirtschafts- und Gesellschaftsleben menschlicher machen, wird abzuwarten sein – aber die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt.

Pia-Alexandra Kappus

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Sind Frauen in Führungspositionen im Job einfühlsamer als ihre männlichen Kollegen – oder vielleicht gerade im Gegenteil härter zu sich selbst und zu anderen?